Bundesweit leben knapp 8 Millionen amtlich anerkannte, schwerbehinderte Menschen. Fast jede*r zehnte Deutsche hat damit eine so genannte Schwerbehinderung. Die Frage nach Teilhabechancen von Menschen mit Behinderung ist somit für einen großen Teil der Bevölkerung von Bedeutung.
Vor allem in Bezug auf die digitale Teilhabe wird deutlich, dass die derzeitigen Entfaltungsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderung im digitalen Kontext stark von denen der Menschen ohne Beeinträchtigung abweichen. Erstere sind trotz fortschreitender Digitalisierung und neuer technischer Möglichkeiten weiterhin von digitalen Exklusionen betroffen, welche einschneidende Nachteile im sozialen Leben mit sich bringen können. Dies betrifft in erster Linie die Möglichkeiten von Menschen mit Behinderung, an der heutigen digitalen Informationsgesellschaft zu partizipieren.
In der Auseinandersetzung mit digitalen Medien für Menschen mit Behinderung liegen teilweise stark voneinander abweichende Voraussetzungen und Bedürfnisse an die Mediennutzung vor. enna kann hier einen Beitrag leisten zu mehr sozialer Teilhabe und digitaler Selbstbestimmtheit. Durch das sehr niederschwellige Bedienkonzept schafft enna einen Zugang zu digitaler Kommunikation mit Bezugspersonen sowie zu individualisierbaren Unterhaltungs- und Unterstützungsangeboten.
Die ersten Schritte mit enna im Bereich der Eingliederungshilfe haben wir gemacht mit Prof. Ayse Cicek von der Hochschule München, die dort die Professur für Pflegewissenschaft mit Schwerpunkt Rehabilitation und Teilhabe sowie Eingliederungshilfe innehat. Prof. Cicek hat uns früh dazu bewegt, neben Senior*innen auch Menschen mit Behinderung in die Entwicklung von enna mit einzubeziehen und uns dafür Zugang gewährt zu der von ihr betriebenen Förderstätte miGes München gGmbH. Hier haben wir viele Tests durchgeführt und versucht, enna schon früh an die Bedürfnisse der Zielgruppe anzupassen.
Ab Anfang 2022 waren mehrere enna Systeme im Rahmen einer Testphase in Einrichtungen der Vitos gGmbH im Einsatz. Hier hatte enna im Bereich der Wohnstätte HTI (Heilpädagogisch-therapeutische Intensivgruppe), in der Tagesstätte sowie im Bereich der psychiatrischen Dienste einen sehr positiven Einfluss auf die digitale Selbstbestimmtheit der Klient*innen. Besonders beliebt war neben individuellen Unterhaltungsangeboten auch die Möglichkeit, durch enna mehr Struktur in das Leben der Klient*innen zu bringen. Das gelang etwa mit einer enna Card, die eine Step-by-Step Anleitung zum Kochen aufruft oder mit einem individuellen Aufgabenplan, der durch die Betreuungskräfte wöchentlich aktualisiert werden konnte. Auch in einer Caritas Einrichtung in Oberbayern kam enna bei Menschen mit schwerer Mehrfachbehinderung über mehrere Wochen zum Einsatz.
Derzeit erproben wir enna gemeinsam mit der Lebenshilfe Bayern mit Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Hier ist enna seit Juli 2022 sowohl in einer Förderstätte als auch im ambulanten Bereich im Einsatz und ermöglicht seinen Nutzer*innen den selbständigen und selbstbestimmten Zugang zu digitalen Angeboten wie YouTube, Unterhaltung (etwa in Form der Lieblingssendung) oder Videotelefonie.
Weitere Pilotprojekte sind mit dem PIKSL Labor in Friedrichshafen – hier arbeiten sogenannte PIKSL Expert*innen mit und ohne Behinderung daran, digitale Medien barrierefrei zugänglich zu machen – und dem Projekt “DigiTeilhabe” des AWO Bundesverbands geplant.
“Ich finde es wunderbar, dass Sie Ihr Produkt von Menschen mit Behinderung testen lassen. Sie schaffen damit Partizipation an der Entwicklung von Produkten für Menschen mit Behinderung von Menschen mit Behinderung. Das passiert viel zu selten.”
Matthias Schug, Projektleiter “DigiTeilhabe” – AWO Bundesverband e.V.
Neben Einrichtungen der Behindertenhilfe wird enna auch schon in einigen privaten Haushalten von Menschen mit Einschränkungen genutzt.
So auch bei Tiemo (25) und seiner Familie. Tiemo hat Trisomie 21 und kann kein Smartphone bedienen. Mit enna kann Tiemo seine Schwester Naomi, die viele hundert Kilometer entfernt wohnt, via Videocall anrufen. Da er nicht sprechen kann, ist für ihn das Bild sehr wichtig, um mit Menschen zu kommunizieren. Dank enna ist es für Tiemo leichter geworden, Kontakt zu seiner Schwester aufzunehmen.
“Mein Bruder ist echt richtig begeistert von enna. Das ist richtig schön zu sehen. Der ist irgendwie auch schon voll drin und versteht enna trotz seiner starken Einschränkung. Er sucht sich immer unterschiedliche Karten aus, die er dann aufs Dock legt. Ganz besonders gefällt ihm die Fotokarte mit Bildern von seiner Kindheit und Jugend. Mega cool!”
Naomi Miller – selbstständige Trainerin von Workshops für erwachsene Geschwister von Menschen mit Behinderung und Mitgründerin von Blick | Punkt | Geschwister
Tiemos Familie hat sich gemeinsam Gedanken zur Kartenauswahl gemacht und sich bei der Bestellung an seinen Vorlieben orientiert. Eine YouTube-Karte, die beim Auflegen auf das enna Dock Action-Videos abspielt , gehört ebenso dazu, wie das digitale Fotoalbum, auf dem sich Tiemo sehr gerne Fotos von seinen Ausflügen ansieht.
Ein Kartenhalter ermöglicht es Tiemo, die enna Cards besser greifen zu können. Dieser wird in den Neuland-Werkstätten der Zieglerschen in Wilhelmsdorf von Menschen mit Behinderung hergestellt und ist in Zukunft auf unserer Website erhältlich.
Grundsätzlich stehen wir mit enna noch am Anfang – in den nächsten Monaten möchten wir weitere Anpassungen an die Bedürfnisse der Zielgruppe vornehmen und unser Angebot an verschiedenen Inhalten stetig erweitern.
Die verschiedenen Tests mit unseren Partner*innen haben aber unzweifelhaft gezeigt, dass enna einen Beitrag leisten kann zu mehr sozialer Teilhabe und digitaler Selbstbestimmtheit von Menschen mit Behinderung. Dies würden wir im Rahmen eines gemeinsamen Pilotprojekts gerne auch in weiteren Einrichtungen unter Beweis stellen. Meldet euch gerne bei uns, wenn ihr enna in euren Einrichtungsalltag einführen möchtet, Verbesserungsvorschläge oder Feedback habt oder mit uns neue Ideen für enna entwickeln wollt!